Landleben in der Nachkriegszeit - Mudenbach

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Landleben in der Nachkriegzeit in Mudenbach - eine Zeitzeugenbefragung

Von Nina Hassel - Copyright Nina Hassel/AKdia 11/2009


Vorwort

Diese Zeitzeugenbefragung ist mit meinem Großvater mütterlicher Seite Erwin Schmidt durchgeführt worden. Er wurde 1934 in Mudenbach geboren und lebt bis heute dort. Er war Landwirt und in späteren Jahren Maschineneinrichter bei der Firma Werit in Altenkirchen im Westerwald. Seine Frau Emilie, geborene Licht, ursprünglich aus Steinebach, lebte mit ihm in Mudenbach und starb 1992. Seine beiden Töchter leben ebenfalls mit ihren Familien in Mudenbach.

Die Befragung wurde mit Hilfe eines Textes aus dem Geschichtsunterricht, der den Anlass der Fragen bereit stellte, und einem Diktiergerät durchgeführt. Die Antworten sind sinngemäß wiedergegeben, da eine genaue Wortwiedergabe auf Grund des gesprochenen Mudenbacher Dialektes nicht möglich ist.

Kapitulation

Frage: „Was hast du von den zwei Kapitulationen am 7.5.49 in Reims und am 8.5.49 in Berlin mitbekommen?“

Antwort: „Ich weiß nur, wie der Amerikaner hier einmarschiert ist. Aber wann das war, dass weiß ich nicht mehr. Im Mai vielleicht.“


Frage: „Wie hast du das mitbekommen, dass der Krieg vorbei war?“

Antwort: „Als der Ami kam. Der kam in den Ort, wir waren Nachts im Keller der Oma und haben die Panzer rollen hören und gegen Morgen kamen die Amis mit den MPs rein. Da wussten wir, sie sind da. Da war uns klar, der Krieg war aus, die Besatzung ist da. Vorher war der Deutsche bereits auf dem Rückzug, das haben wir schon mitbekommen. Wir wussten nur nicht, wann der Ami kommt und wie.“


Frage: „Wie hast du den Rückzug mitbekommen? Hattet ihr Radio oder Zeitung?“

Antwort: „Es gab kein Radio und keine Zeitung. Fernsehen bekamen wir erst 1965. Panzer rollten über die B8 und meine Eltern sagten, jetzt kommt der Ami und der Krieg ist aus.“


Frage: „Haben sich deine Eltern gefreut?“

Antwort: „Natürlich waren die froh, als der Krieg vorbei war.“


Frage: „Hitlers Nachfolger hieß von Dönitz, habt ihr was von dem gehört?“

Antwort: „Ja, gehört haben wir in der Schule was davon, aber es hat mich zu der Zeit, ich war 10 Jahre alt, nicht interessiert.“


Frage: „Es wurde ein Oberbefehl durch die Alliierten erlassen, was weißt du darüber?“

Antwort: „Deutschland wurde in Zonen aufgeteilt, wir hatten die französische Besatzung.“


Frage: „Was durftet ihr machen und was nicht?“

Antwort: „Es lief alles so wie bisher, nur dass alles bestimmt wurde, wir mussten aus der Landwirtschaft abgeben. Vieh und Getreide wurde zugeteilt. Jeder durfte nur eine bestimmte Anzahl davon haben, aber vieles weiß ich heute nicht mehr.“


Frage: „War es nach der Kapitulation besser als während des Krieges?“

Antwort: „Auf jeden Fall. Es kamen keine Flieger mehr und es waren keine Soldaten mehr da. Am Anfang kam der Amerikaner und nach der Aufteilung die Franzosen, die fuhren Streife durch den Ort.“


Frage: „Wie musste man sich verhalten, was musste beachtet werden?“

Antwort: „Es gab abends eine Ausgangssperre, ab 20 oder 21 Uhr durfte man nicht mehr das Haus verlassen.“


Frage: „Hast du mitbekommen, dass es ein Verbot gab, dass die Besatzer mit den Dorfleuten nicht reden durften?“

Antwort: „Nein, als der Ami in der Nacht einmarschierte, kamen die und haben alle Räume durchsucht, ob wir Soldaten versteckt hatten. Mit der Zivilbevölkerung wurde nichts gemacht. Nur wo Soldaten waren, das wollten die wissen. Sonst hat keiner gesprochen.“


Frage: „In welcher Sprache wurde sich verständigt?“

Antwort: „Zeichensprache.“

Territoriale Veränderung

Frage: „Wie wurde die Aufteilung in Besatzungszonen und das aufgeteilte Berlin bekannt?“

Antwort: „Zeitungen gab es wieder, Radio -Volksempfänger- hatten wir dann auch, irgendwie wurde es uns bekannt. Wir waren ja nicht betroffen davon, was in Berlin so passierte.“


Frage: „Was wurde in der Schule besprochen? In den Schulbücher ging es doch um Hitlerverherrlichung, gab es jetzt neue Bücher?“

Antwort: „Weiß ich nicht mehr.“


Frage: „Ortsgebiete gingen unter sowjetische und polnische Verwaltung, was habt ihr da mitbekommen?“

Antwort: „Es gab eine Blockade, der Russe machte Berlin dicht. Berlin lag im russischen Bezirk und Berlin war auch wieder aufgeteilt in 4 Kommandanturen, Amerikaner, Engländer, Franzosen, Russen. Die Transitstrecke vom Westen in den Osten ging durch russisches Gebiet. Die Russen haben diese dicht gemacht. Daraus ergab sich die Luftversorgung der Berliner von den Amis. Die sind mit Rosinenbomber ab Frankfurt gestartet, hier über uns, Richtung Berlin. Das haben wir schon mitbekommen und gesehen.“


Demographische Veränderung

Frage: „Wie hat sich die Bevölkerung verändert? Es sind ja 4,3 Mio. Soldaten gefallen. Wie ist das hier angekommen?“

Antwort: „Wir haben davon Kenntnis erlangt, wenn die Leute Bescheid bekamen, dass jemand vermisst wurde oder gefallen war. Aber die genauen Zahl wussten wir nicht.“


Frage: „2,8 Mio. Menschen der Zivilbevölkerung sind gestorben. Wodurch und wie hast du das empfunden?“

Antwort: „Ja, durch die Bomben wahrscheinlich. Da redet heute keiner mehr von; das waren der Ami und der Engländer, als die die Städte bombardierten und alles kaputt geschossen haben. Also das ist in deren Augen alles richtig gewesen, ich sehe das anders.“


Frage „Wie habt ihr das hier im Dorf mitempfunden, wenn jemand gefallen ist?“

Antwort: „Das war wie ein Trauerfall.“


Frage: „Waren es viele?“

Antwort: „Ja, sicher waren viele junge Leute im Krieg geblieben.“


Frage: „Aber das hat dich nicht betroffen, du warst ja noch jung?!“

Antwort: „Nein, es ging mir nicht so nahe, in so jungen Jahren versteht man noch nicht alles von Tod und Krieg.“


Frage: „In deiner eigenen Familie war wer im Krieg und ist auch wer gefallen?“

Antwort: „Mein Papa war mal am Westwall, aber nur kurz. Mein Onkel Otto war weg und kam mit einer Kopfverletzung ins Lazarett. Danach durfte er nach Hause. Mein Onkel Emil Thiel kam in amerikanische Gefangenschaft und wurde von Amerika nach Frankreich gebracht. Es gab dort keine Arbeitslager, bei den Franzosen wurden die deutschen Kriegsgefangenen einfach unter den Bauern aufgeteilt zum Arbeiten.“

Frage: „Wie kam Emil heim?“

Antwort: „Entlassen worden. Er war etliche Jahre in Frankreich und hatte auch nachher noch Kontakt zu den Leuten in Frankreich. Er hat sie auch dort besucht.“


Frage: „14,8 Mio. Menschen sind hier eingegliedert worden? Habt ihr auch Leute aufgenommen?“

Antwort: „Ja, schon während des Krieges kamen Leute aus der Ostzone zu uns. Als der Krieg beendet war, wurde die Leute auf das Land verteilt.“


Frage: „Hattet ihr welche hier?“

Antwort: „Ja, im Dorf waren auch welche. Bürgermeister und Gemeinderat teilten die Flüchtlinge auf. Je nach Verfügbarkeit der Zimmer wurden die Leute zugeteilt. Man konnte nicht sagen, den will ich oder nicht. Man hatte keinen Einfluss wie viele Leute kamen. Unsere Familie hieß Krüger. Wir mussten 2 Zimmer räumen. Ich musste dann bei meinen Eltern schlafen. Unser Haus war gar nicht für 2 Familien eingerichtet. Jede Familie hat sich dann selbst versorgt. In einem der Zimmer wurde eine provisorische Küche eingerichtet, in dem anderen Zimmer haben sie geschlafen.“


Frage: „Woher haben die das Essen bekommen?“

Antwort: „Durch Tauschgeschäfte. Die haben an anderen Höfen geholfen und die Arbeit gegen Lebensmittel getauscht.“


Frage: „Haben die in der Landwirtschaft bei euch geholfen?“

Antwort: „Nein, wir hatten nichts mit ihnen zu tun und wie die finanziell unterstützt wurden, dazu kann ich nichts mehr sagen.“


Frage: „Konntet ihr euch verstehen?“

Antwort: „Ja, die hatten nur einen anderen Dialekt.“

Frage: „Wie war das mit den Kriegsgefangenen?“

Antwort: „Es gab natürlich auch Kriegsgefangene, die bei uns waren. Da die meisten Männer sich im Krieg befanden, kamen die ausländischen Kriegsgefangenen auf die Bauernhöfe und haben dort geholfen.“


Frage: „Wer hat die Zuteilung vorgenommen?“

Antwort: „Dass weiß ich nicht mehr, es hieß nur Familie Thiel hat jetzt einen Franzosen. Da ja alle Familien im Ort Landwirtschaft betrieben, hat der Franzose einmal bei Thiels geholfen, einmal bei Wirths. Wie viele ausländische Arbeiter genau im Ort waren, weiß ich nicht, aber es waren mehrere.“


Frage: „Wie ging es denen?“

Antwort: „Normal.“


Frage: „Waren diese unterernährt?“

Antwort: „Nein, sie waren normal genährt. So ging es auch manchen Deutschen in Gefangenschaft, wie Onkel Emil in französischer Gefangenschaft. Es war die gleiche Arbeit wie zu Hause auch.“


Frage: „Durften die Gefangenen nach dem Krieg gehen?“

Antwort: „Ja, als der Ami kam, war sofort Ende mit der Arbeit, sie durften nach Hause. Wir haben keinen mehr gesehen.“


Frage: „Wer wurde aus dem Dorf verhaftet?“

Antwort: „Die suchten nur nach denen, die in der Partei waren. Die sogenannten Hitlertreuen. Hinter denen waren die her. Beim Bürgermeister war eine Liste hinterlegt, in welcher Partei die Leute waren. Mein Vater war nicht in der Partei. Beim Bürgermeister haben die gefragt, wer nicht in der Partei war und da dies mein Vater war, wurde er kurzerhand zum Bürgermeister ernannt. Der alte Bürgermeister wurde dann vom Ami abgesetzt und mein Papa war nun Bürgermeister.“


Frage: „Was passierte mit dem Alt-Bürgermeister?“

Antwort: „Nichts, er durfte nur kein Amt mehr ausüben.“


Frage: „Wurde der Alt-Bürgermeister von den Amis verhaftet?“

Antwort: „Da ist mir nichts von bekannt.“


Frage: „Was passierte mit den Kriegsgefangenen, die nach Hause kamen?

Antwort: „Die bekamen Entlassungspapiere, die bei der Kreisverwaltung vorgelegt werden mussten, um sich wieder anmelden zu können.“


Frage: „Wie war es als Onkel Emil wieder nach Hause kam?“

Antwort: „Emil hatte ja Briefkontakt nach Hause, da wussten die schon, dass er kommt. Einer aus dem Ort war in russischer Gefangenschaft. Auch hier wussten alle im Dorf, dass er nach Hause kam. Das war eine Sensation.“


Frage: „Wie habt ihr Jungen hierauf reagiert?“

Antwort: „Wir kannten die Leute ja gar nicht, die jahrelang in Gefangenschaft waren. Nur aus Erzählungen raus wussten wir, wer sie waren und wo und haben dann mitbekommen, dass sie jetzt endlich wieder nach Hause kommen. Früher war es ja so, dass Informationen von Mund zu Mund weiter gegeben wurden. Es gab kein Fernsehen und so saßen die Leute abends zusammen und haben sich unterhalten. Ich war ja damals zu jung und habe das alles nicht so mitbekommen.“


Frage: „Wieso musste dein Vater nicht in den Krieg?“

Antwort: „Darüber haben wir nie gesprochen. Aber als ich später geheiratet habe, habe ich erfahren, dass mein Schwiegervater in Russland war.. Er hat auf der Halbinsel Krim gekämpft und wurde dort verwundet. Er hatte einen Poschuss. Mein Schwiegervater ist damals zu Fuß nach Hause. Er hat eines der letzten Schiffe bekommen, das nächste sank, und den Rest ging es zu Fuß weiter. Er muss wohl völlig entkräftet zu Hause angekommen sein.“


Zerstörungen

Frage: „40% der Wohnhäuser und 40% der Eisenbahnstrecken waren zerstört. Wie sah es hier aus?“

Antwort: „Als bereits der Rückzug, so Februar/März 1945, im Gang war, sind hier erst Bomben gefallen. Im Ort selbst wurde nichts zerbombt, nur am Ortsrand wurde ein Haus getroffen. Und gerade bei diesem Haus saß der Opa auf der Toilette, früher gab es ja die Toilettenhäuschen im Freien, als das Haus von einer Bombe getroffen wurde, einstürzte und auf das Toilettenhäuschen fiel, starb er. Das war der einzige Tote durch Bomben hier in Mudenbach. Ich kann mich genau daran erinnern, es war Sonntags morgens.“


Frage: „Was habt ich bei Bombenalarm gemacht?“

Antwort: „In der Nachbarschaft war ein Bunker; dort sind alle Leute hinein. In den Erdhügel wurde ein Loch gegraben, mit Holzstämmen abgedichtet und dann von außen wieder mit Dreck zugeschüttet. Die Männer des Ortes haben den Bunker errichtet. Und wenn wir nicht schnell genug in den Bunker kamen, sind wir in den Keller gelaufen.“


Frage: „Hattest du Angst?“

Antwort: „Ja nun, dass will ich wohl sagen, man weiß ja nicht was kommt. Man hörte schon die Bomber übers Haus fliegen, das war schon schlimm.“


Frage: „Habt Ihr gemerkt, dass Eisenbahn, Bahnhöfe, Transport etc. beschädigt waren?“

Antwort: „In Hachenburg und Altenkirchen haben wir es schon gemerkt. Wir hatten ja keinen Bahnhof. V1 und V2 sind hier oben abgeschossen worden. Das sind Raketen. Die wurden von hier aus abgeschossen und sollten in England runter gehen. Die Raketen sind nach Hachenburg mit dem Zug transportiert worden, dann mit dem LKW nach Steinebach, wo die Abschussrampen standen. Wir konnten immer sehen, wenn die Raketen abgeschossen wurden. Wir Jungs fanden dass immer interessant und sehr laut. Außerdem sind die Amerikaner öfter über uns geflogen, zwecks Aufklärungsflüge.“


Frage: „War auch der Lebensmitteltransport unterbrochen?“

Antwort: „Ja, im Saal der Gaststätte wurde Mehl und Lebensmittel gelagert. Das Militär hat den Saal beschlagnahmt und dort die Lebensmittel gelagert. Es wurde nichts gemietet, es wurde beschlagnahmt. Und als der Ami kam, sind die Leute aus dem Dorf dort hin und haben das Lager leer geräumt.“


Frage: „Funktionierte die Post?“

Antwort: „Ja, die Post ging. Der Ablauf auf dem Land war einigermaßen normal.“


Frage: „Was wurde euch erzählt, auch in der Schule, warum Krieg war?“

Antwort: „Man musste ja führertreu sein. Man ging morgens mit einem Heil-Hitler- Gruß in die Schule und mittags so wieder nach Hause. Das war vorgeschrieben. Der Schulablauf war normal. Nach Kriegsende hieß es nur noch Guten Morgen; der Hitlergruß war verboten. Begründungen wieso und weshalb gab es für uns Kinder nicht.“


Frage: „Gab es im Dorf einige Leute, die voll hinter Hitler standen?“

Antwort: „Ja, natürlich gab es einige. Es gab so Untergruppierungen in den Dörfern, die dahinter standen.“


Frage: „Wie sah es bei deiner Familie aus?“

Antwort: „Man durfte nicht groß drüber reden, was man gut fand und was nicht. Äußerungen durfte man nicht von sich geben, sonst wurde man abgeführt.“


Frage: „Was hat dein Vater gemacht, er war ja nicht in der Partei.“

Antwort: „Groß geredet hat er nicht, sondern sich still verhalten. Er fand es nicht gut, aber er konnte nichts ändern.“



Versorgungskrise

Frage: „Habt ihr was von der Versorgungskrise gemerkt? Und wenn ja, wann?“

Antwort: „Die Versorgungskrise war auch schon während des Krieges. Ich erinnere mich, dass wir während der Besatzungszeit eine Kuh abgeben mussten, die in Beschlag genommen wurde, da für Großvieh so und so viel Kühe benötigt wurden. Diese Kuh habe ich dann nach Ingelbach auf den Bahnhof gebracht. Schlachten durfte man auch nicht wie man wollte und unsere Nutzflächen mussten wir auch angeben und pro Fläche eine bestimmte Anzahl von Ertrag abgeben. “


Frage: „Im Osten fielen Nutzflächen weg, hatte das Auswirkungen bei euch?“

Antwort: „Das hatte keine Auswirkungen auf uns. Unsere gesamten Lebensmittel haben wir selbst erzeugt durch Feldbewirtschaftung und Tierhaltung. Zum Beispiel wurde Kaffeemehl von Roggen in einer Pfanne geröstet und durch die Kaffeemühle gedreht. Es gab ja nichts zu kaufen, wir haben alles selbst gemacht und auch selbst geschlachtet.“


Frage: „Was konnte man kaufen?“

Antwort: „Gar nichts, außer Zucker und Salz. Es gab nicht viel, aber zum Leben reichte es.“


Frage: „1946/1947 gab es den Hungerwinter. Hat euch das betroffen?“

Antwort: „Wir auf dem Land mussten nicht hungern. Wir hatten wenig aber genug. Es gab sonntags keinen Kuchen, auch nach dem Krieg lange Zeit nicht. Getreide wurde zur Mühle gefahren und dort gemahlen, dann wurde Brot gebacken und sonntags gab es Weißbrot.“


Frage: „Wie war es im Winter?“

Antwort: „Für den Winter wurden Vorräte angelegt, es wurde ein Schwein geschlachtet, Schinken, Wurst und Speck geräuchert, Fleisch eingekocht. Es gab ja keine Kühltruhe. Wir hatten Gemüse, Kartoffeln, Getreide, alles was man für eine einfache Ernährung braucht.“


Frage: „Wie hat sich alles weiter entwickelt?“

Antwort: „Als die Industrie mal wieder ins Rollen kam, Jahre später, wurden kleine Traktoren gebaut und Maschinen. Dann wurde alles maschinell erledigt wie z.B. Heu wenden. Die Industrie brachte dann in den 50er Jahren den Aufschwung. Es gab dann alle Geräte für die Landwirtschaft zu kaufen, z.B. Pflug und Egge. 1954 haben wir unseren ersten Schlepper bekommen, das war der 16. im Dorf. Früher haben wir die Kühe vor den Wagen gespannt und musste sie führen. Es fand eine Modernisierung statt und erleichterte alles.


Frage: „Habt ihr von der Stadtflucht etwas mitbekommen?“

Antwort: „Die Leute aus dem Siegerland kamen und wollten Kleidung und Schmuck gegen Nahrung tauschen, aber sonst haben wir nichts mitbekommen.“


Schwarzmarkt

Frage: „Hattet ihr mit dem Schwarzmarkt zu tun?“

Antwort: „Ja, aber wir nannten das Tauschgeschäft, Hamsterei. Wertsachen und Kleidung gegen Essbares.“


Frage: „Gab es Kriminalität im Dorf?“

Antwort: „Eher weniger.“


Frage: „Wurde bei euch auch geklaut?“

Antwort: „Ja sicher, aber man hat sich nicht groß aufgeregt, wenn etwas weg war, dann war es weg.“


Frage: „Gab es einen Brennstoffmangel/Rohstoffmangel?“

Antwort: „Zu dieser Zeit fuhren die Autos, wer denn eines hatte, nicht mit Benzin, sondern mit Holzgas. Boiler waren im Auto eingebaut und wurden mit Holz gefeuert welches in den Autos vergaste und damit wurde Auto gefahren. Es gab aber wie gesagt, wenige Autos. Der Lehrer und ein Arzt hatten ein Auto. Ab und zu kamen auch Soldaten mit ihren Autos hier vorbei, das war eine Sensation. Wir selbst haben unsere Wohnung mit Holz und Kohle geheizt.“


Frage: „Wie ging das mit der Währung und dem Bezahlen bei euch?“

Antwort: „Mit der Reichsmark konnte man nichts mehr kaufen. Aber als die D-Mark im Umlauf war, konnte man alles kaufen, es war alles da. 1949 hat jeder Bürger DM 40,00 bekommen.“


Frage: „Wie war das für euch?“

Antwort: „Da war einer so reich wie der andere. Ein halbes Jahr später war das Geld schon verteilt. Ich habe aber auch da noch nicht viel an Spielsache bekommen. Erst als ich aus der Schule kam, wurde es besser. Früher hatten wir nur ein paar Schuhe, mehr gab es nicht. Wir durften mit diesen Schuhen nicht Fußball spielen, die Schuhe wurden Sonntags wie auch in der Woche angezogen. Die Schuhe waren genagelt, es gab keine Ledersohlen. Wenn die Nägel ausgefallen waren, wurden Neue eingeschlagen und weiter ging es.“


Frage: „Gab es bei euch im Dorf Prostitution?“

Antwort: „Hier bei uns gab es keine Prostitution, mir ist da nichts bekannt.“


Frage: „Wie war das mit der Lebensmittelrationierung?“

Antwort: „Es gab Märkchen, die waren ungefähr in Briefmarkengröße und wenn man sich was gekauft hatte, wurde das Märkchen abgetrennt. Pro Person gab es eine Lebensmittelkarte.“


Frage: „Gab es sonstige Marken?“

Antwort: „Kleiderkarten und Lebensmittelkarten gab es. Was es im einzelnen auf die Karten gab, das weiß ich nicht. Für die Kleiderkarten gab es Schuhe und Anziehsachen.“



Frauenrolle/Männerrolle

Frage: „Welche Aufgaben hatten die Männer und Frauen nach dem Krieg?“

Antwort: „Die Männer betrieben Landwirtschaft und die Frauen halfen dort, führten den Haushalt und waren für die Kindererziehung zuständig. Als dann die D- Mark kam, kam der Aufschwung, dann gingen viele Männer in die Industrie und halfen beim Wiederaufbau. Viele sind aus der Landwirtschaft raus und haben dies nur als Nebenberuf gemacht und haben eine Arbeitsstelle angenommen. Die Frau blieb zu Hause. Jahre später gingen auch die Frauen in die Industrie.“


Frage: „Ging dein Vater auch in die Industrie?“

Antwort: „Nein, mein Vater ging in den Gemeindewald als Hausmeister und führte die Landwirtschaft weiter. Viele Männer aus dem Ort gingen in den Wald, im Winter wurde Brennholz gemacht, im Sommer wurde Kulturarbeit gemacht. Es wurde ja damals alles von Hand gemacht. Bäume fällen, Rinde schälen, alles mit der Hand. Von November bis Februar-März ging es in den Wald, die Landwirtschaft lief nebenher. Die Frau musste dann diese Arbeiten übernehmen. Auch die Feldarbeit wurde von Hand gemacht, Getreide gemäht usw. Es gab damals eine Mähmaschine, die man hinter die Kühe anspannen konnte. Das war eine gewaltige Erleichterung. Früher mussten die Wiesen zum Heu machen mit der Hand gemäht werden. Frauen und Männer haben die gleichen Arbeiten erledigt. Jeder musste da mit anpacken, was gerade zu tun war. Im Krieg waren es die Frauen, die das Sagen hatten. Hatte man einen Kriegsgefangenen, so wurde der von der Frau eingewiesen.“


Frage: „Gab es bei euch Trümmerfrauen?“

Antwort: „Hier auf dem Land gab es keine Trümmerfrauen. In den Städten haben die Frauen die zusammengefallenen Häuser mit der Hand abgetragen und mit diesen Steinen auch wieder aufgebaut. Wenn die heutige Jugend diese Arbeiten machen müsste, die da gemacht wurde, die liefen weg. Wenn hier gebaut, um- oder angebaut wurde, haben die Frauen auch mit geholfen. Als wir 1976 neu gebaut haben, hat deine Ur-Oma hier den Mörtel gemacht.“


Frage: „Wie war es nach dem Krieg?“

Antwort: „Als die Männer nach dem Krieg wieder zu Hause waren, war dies natürlich eine Erleichterung für die Frauen. Natürlich war es nicht so, dass dann nur noch der Mann das Sagen hatte, man hat sich abgesprochen. In der Landwirtschaft sind die Arbeiten den Jahreszeiten angepasst und man weiß eigentlich immer was zu tun ist. Die Frauen mussten auch die Wäsche erledigen. Montags war immer Waschtag. Die Kochwäsche wurde in einem Kessel gekocht und von Hand auf dem Waschbrett gewaschen und dann draußen auf die Wiese zum Bleichen gelegt.“


Frage: „Wie sah es hier mit Scheidungen aus?“

Antwort: „Hier auf dem Land gab es keine Scheidung, es gab Meinungsverschiedenheiten, aber man hat sich immer wieder zusammen gerauft. Wenn sich hier eine Frau hätte scheiden lassen wollen, die wäre aus dem Dorf gejagt worden.“


Frage: „Was würdest du abschließend zu der Zeit während und nach dem Krieg sagen?“

Antwort: „Im Großen und Ganzen sind wir verschont geblieben und alles was in dieser Zeit zählte, war die Landwirtschaft, sie war das A und O.“


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Einen herzlichen Dank an meinen Großvater Erwin Schmidt!!!





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