Nachrichter, Scharfrichter, Wasenmeister in Altenkirchen
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Nachrichter, Scharfrichter, Wasenmeister in Altenkirchen von Brigitte Burbach, Erstveröffentlichung AKdia 2009/Copyright AKdia 2009
Wenn sich auch die Begriffe im Laufe der Zeit änderten, so blieb die Tätigkeit doch die gleiche. Scharfrichter/Henker/Nachrichter und Wasenmeister/Abdecker hatten nicht nur die gerichtlich angeordneten Strafen zu vollziehen, sondern vielfältige Arbeiten in Stadt und Land zu übernehmen, wenn sie dazu von der Obrigkeit eingesetzt worden waren. Vielleicht war es in der Paxis so, daß ein Scharfrichter einfach von dem Amt nicht leben konnte, die Abdeckerei ihm aber gleichbleibende Einkünfte aus seiner gesundheitspolizeilichen Verpflichtung garantierte. Wir kommen auf die Einzelheiten zurück. Zunächst jedoch ein Blick auf die Familien, die in der Stadt lebten und ein Blick auf die sogenannte Unehrlichkeit, den Makel, unter dem all diese Leute standen. Unehrlichkeit war in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Ständegesellschaft eine Besonderheit, sie war nicht moralisch-sittlich gemeint, sondern umfaßte eine Gruppe bestimmter Berufe: Scharfrichter, Schinder, Abdecker, Schäfer, Hirten, Leineweber, Müller, Spielleute, das fahrende Volk und andere (Wolfgang von Hippel: Armut, Unterschichten, Randgruppen in der frühen Neuzeit. München 1995). Über die Gründe dafür herrscht wohl noch manche Unklarheit (HRG Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte. Berlin 1978). Es war nicht die persönliche Unehrlichkeit, die hier gemeint war, sondern die Zurechnung zu einem Stand, der sich an unterster Stelle der Gesellschaft befand. Es gab noch keine staatsbürgerliche Gleichheit, und Rechte und Pflichten ergaben sich aus dem Stand, dem man angehörte. Die Folgen der Unehrlichkeit waren drückend: sie schloß diejenigen, die dazu gezählt wurden, von den Zünften und damit von vielen Handwerksberufen aus, vom Bürgerrecht und von öffentlichen Ämtern. Wie weit sich die Einwohner eines Ortes von den Unehrlichen entfernt hielt, ist schwer zu sagen. Ob man sie grundsätzlich sozial ausgrenzte, sie gar verachtete, ist heute nicht leicht zu entscheiden und war vermutlich regional unterschiedlich. Kaum ein Gebiet wie das der Scharfrichter sei so von Vorurteilen umstellt, schreibt Wilbertz (Gisela Wilbertz: Scharfrichter und Abdecker. Aspekte ihrer Sozialgeschichte vom 13. bis zum 16. Jahrhundert. In: Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft, hrsg. v. Bernd-Ulrich Hergenmöller. Warendorf 1994), und manches ist Legende.
Nagel hatte ein bewegtes Leben (Annette Grünewald: Vom traurigen Ende eines ehemaligen Scharfrichters. Saarländische Familienkunde 1976. Nachzulesen in www.starkenburg-mosel.de). Nachdem er und seine Partnerin „entwichen“ waren, tauchten sie unter, und zwar in einem katholischen Gebiet, in dem man sie nicht suchte. Die Schwägerin, die er katholisch geheiratet hatte, starb, und Nagel heiratete zum viertenmal. 1766 starb er in Bettingen in der Eifel, bettelarm. Jakob Nagel war auf Wanderschaft gegangen, betrieb kein „unehrliches“ Gewerbe mehr, und man muß ihn wohl eher den „vagi“ zurechnen, dem fahren Volk. Söhne und Enkel Nagel sind noch mehrfach zu finden.
Die Anzahl der Wasenmeister Schmidt rechts und links des Rheins ist kaum überschaubar. Der erste in Hamm, Johann Christophel, war ein Sohn des Daniel Schmidt zu Miehlen bei Nastätten. Hinweise auf Miehlen sind interessant, weil sie auf einen der berühmtesten Wasenmeistersöhne hinweisen; auf den Schinderhannes. Er hieß Johannes Bückler, stammte väterlicherseits aus Miehlen, und seine Mutter war eine geborene Schmidt. Er war im übrigen bei einem Nagel in der Lehre gewesen. Wie es nun mit der Verwandtschaft gewesen sein mag: es zeichnet sich die weite Vernetzung all dieser genannten Familien ab. Schmidt hat die Stelle in Altenkirchen nicht erhalten. Sie kam wie gesagt an Franz Koch. Im gleichen Jahr wurde für Altenkirchen eine Ordnung erlassen:
1. Von einem gefallenen Pferd die Haut bekommen, dahingegen wegen des Botenlohns ihm etwas nach Beschaffenheit der Nähe oder Entfernung terminiert werden, im Gegentheil aber 2. vor ein lebendig aber gängig Pferd, wann es Wasen-Gerecht ist, dem Eigenthümer einen halben Rthl zu geben, jedoch daß die unterthanen dergleichen nicht außer Landes führen gehalten seyn, 3. Vor eine Kuh oder Ochsen abzudecken von der Stadt Altenkirchen 15. Kr, von dem Landmann aber 30 Kr bekommen, dargegen aber die Haut zurückzuliefern und die Bürger zu Altenkirchen denen zu führen auff dem Land aber solches der Fallmeister [Nach dem Grimmschen Wörterbuch gleiche Bedeutung wie Schinder und Wasenmeister] zu verrichten schuldig seyn, 4. Vor einen Ochsen, so nur 2 Jahr alt, die Haut demselbigen verbleiben, anderenfalls aber der Lohn mit 30 Kr gewährt werden, 5. Vor ein Rind, welches noch nie Milch gegeben, ebenfalls die Haut, wann aber das Rind tragbar, und es auch gleich keine Milch giebt, von der Stadt 30 Kr, von dem land aber die Haut empfangen, 6. Von ein Reitochsen ebenermaßen die Haut, 7. Von einem Stück Vieh, es sey klein oder groß, welches in das Land [verbracht ?] wird, gleichfalls ohne Unterschied die Häute, 8. Von einem Stück Vieh, welches geschlachtet wird und die Franzosen hat, auch die Haut, 9. Von einem Stück Vieh, welches auff dem Mist crepirt, es seye Ochs oder Kuh, Klein oder Groß, von der Stadt 30 Kr, von dem Land aber die Haut, 10. Von einem Schwein, Ziege, Kalb, denen Schafen und Lämmern und Hunden wiederum die Haut haben und sich mit denen Leuthen abzufinden, dargegen aber nicht nur die todten Katzen auff denen Straßen weg zu thun, sondern auch die wütende Hunde todt zu schießen, verbunden seyn, endlich 11. Von denen Juden, welchen ein Stück Vieh crepirt, die Haut ohne Unterschied bekommen, dar gegen aber die Privaten [Toiletten] in denen Herrschaftl. Schloßgebäuden ohnentgeldlich jedesmahlen auf Erfordern zu reinigen. Hiervor aber alljährlich drey Rthlr auff den Christtag zu dasiger Gefäll Verwaltung zu entrichten, weniger nicht jederzeit Luder (Köder, um Tiere anzulocken), wohin es verlangt wird, herbey zu schaffen, auch auff Befehl Herrschafftl. Hunde zu halten schuldig seyn solle; als ergeht zu dem Canzley-Directorio zu Altenkirchen hiermit der Befehl, den Concessions Brief hiernach zu entwerfen und zur Ausfertigung sodann an hiero einzusenden. Onolzbach, den 24 7br 1744.
1731 regelte die Reichshandwerksordnung, daß die Kinder und Angehörigen von Abdeckern zu den Zünften zugelassen werden sollte, sofern sie eine „andere ehrliche Lebens-Art erwählet…“ . Es bedurfte allerdings noch eines weiteren Reichsbeschlusses 1772, um die Unehrlichkeit abzuschaffen (www.uni-muenster.de/: Kriterien ständischer Ungleichkeit). Die französische Revolution, Napoleon, Kriege und Umbrüche schufen neues Recht. Preußen erließ 1807 und 1811 Edikte zur Bauernbefreiung und zur Gewerbefreiheit. In den kommenden Zeiten verlor sich der Makel der Unehrlichkeit.
bis 1 v.Chr. 0001 - 1000 n.Chr. · 1001 - 1100 n.Chr. ·1101 - 1150 n.Chr. ·1151 - 1200 n.Chr. ·1201 - 1250 n.Chr. · 1251 - 1300 n.Chr. ·1301 - 1350 n.Chr. · 1351 - 1400 n.Chr. ·1401 - 1500 n.Chr. · 1501 - 1520 n.Chr. · n.Chr. · 1521 - 1540 n.Chr. · 1541 - 1560 n.Chr. · 1561 - 1580 n.Chr. · 1581 - 1600 n.Chr. · 1601 - 1620 n.Chr. · 1621 - 1640 n.Chr. · 1641 - 1660 n.Chr. · 1661 - 1680 n.Chr. · 1681 - 1700 n.Chr. · 1701 - 1720 n.Chr. · 1721 - 1740 n.Chr. · 1741 - 1760 n.Chr. · 1761 - 1780 n.Chr. · 1781 - 1800 n.Chr. · 1801 - 1810 n.Chr. · 1811 - 1820 n.Chr. · 1821 - 1830 n.Chr. · 1831 - 1840 n.Chr. · 1841 - 1850 n.Chr. · 1851 - 1860 n.Chr. · 1861 - 1870 n.Chr. · 1871 - 1880n.Chr. · 1881 - 1890n.Chr. · 1891 - 1900n.Chr. · 1901 - 1910 n.Chr. · 1911 - 1920 n.Chr. · 1921n.Chr. · 1922 n.Chr. · 1923 n.Chr. · 1924 n.Chr. · 1925 n.Chr. · 1926 n.Chr. · 1927 n.Chr. · 1928 n.Chr. · 1929 n.Chr. · 1930 n.Chr. · 1931 n.Chr. · 1932 n.Chr. · 1933 n.Chr. · 1934 n.Chr. · 1935 n.Chr. · 1936 n.Chr. · 1937 n.Chr. · 1938 n.Chr. · 1939 n.Chr. · 1940 n.Chr. · 1941 n.Chr. · 1942 n.Chr. · 1943 n.Chr. · 1944 n.Chr. · 1945 n.Chr. · 1946 - 1950 n.Chr. · 1951 - 1960 n.Chr. · 1961 - 1970 n.Chr. · 1971 - 1980 n.Chr. · 1981 - 1990 n.Chr. · 1991 - 2000 n.Chr. · 2001 - 2005 n.Chr. · 2006 - 2010 n.Chr. · 2011 - 2015 n.Chr. ·2016 - 2020 n.Chr. 2021 - 2025 n.Chr. Hauptseite · Die Stadtchronik von Altenkirchen (Westerwald) · Gang durch die Geschichte: Altenkirchen - Von den Anfängen bis 1945 · Jubiläen · Das Projekt AKdia · Einzelne Themen und Verzeichnisse · Veröffentlichungen im Rahmen AKdias · Quellentexte · Literatur & Belege · Prinzipien · Links · Nachrichten · Vorlagen |