Fleischproduktion 1948/49

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Von der nationalsozialistischen Preisüberwachung zur marktgerechten Produktion. Die Beeinflussung der Fleischproduktion durch den Landrat von Altenkirchen 1948/49


von Eberhard Blohm/AKdia, August 2010


Der Zeitgenosse, der die Währungsreform am 21. Juni 1948 und ihre Wirkung auf das Warenangebot erlebte, hat die sich täglich mehr füllenden Regale erlebt, in denen Waren auftauchten, die er lange nicht mehr gesehen hatte. Er gewann aber parallel auch die Erfahrung, dass sein knappes Geld dafür nicht reichte.

Gewohnt, dass Löhne und Preise staatlich geregelt waren, musste er Preiserhöhungen angesichts niedriger Löhne als Wucher durch die Produzenten oder Händler einstufen. Denn seit der Umgestaltung der Wirtschaftspolitik 1933 galten die Regeln, die der folgende zeitgenössische Lexikontext von 1937 deutlich werden lässt:

„Von dem Grundsatz „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ ausgehend, macht die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik von Preisbindungen Gebrauch, soweit die Lebensnotwendigkeiten des Volksganzen es erfordern. So wurden durch Gesetz vom 13. September 1933 Festpreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse eingeführt, um die Lebensgrundlage des Bauernstandes zu sichern. Im Rahmen des Vierjahresplanes wurde durch Gesetz vom 29. Oktober 1936 ein Reichskommissar für Preisbildung eingesetzt. Er hat die Preise für Güter und Leistungen jeder Art zu überwachen und nötigenfalls zu regeln. Er ist ermächtigt, die zur Sicherung volkswirtschaftlich gerechtfertigter Preise erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Durch Verordnung vom 26.11.1936 wurden Preiserhöhungen jeder Art grundsätzlich an die Genehmigung des Reichskommissars gebunden. Stichtag für den gesetzlich zulässigen Höchstpreis ist der 18. Oktober 1936. Diese auf der Preisbindung aufbauende Preispolitik in Verbindung mit der durch Tarifordnungen geregelten Lohnpolitik, durch die die Löhne ebenfalls einerseits die Lebenshaltung der arbeitenden Schichten und die Löhne in ein bestimmtes zum Preise und damit zum Wirtschaftsumlauf setzen, andererseits der Wirtschaft die festen Grundlagen geben, deren sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben bedarf. Durch mehrere Verordnungen wurden die Preise inzwischen auf verschiedenen Gebieten neu geregelt. Als nachgeordnete Stellen des Reichskommissars sind die Preisbildungsstellen (in Preußen die Oberpräsidenten) für besondere Preisfestsetzungen in räumlich begrenzten Bezirken, die Preisüberwachungsstellen (in Preußen die Regierungspräsidenten) und die unteren Verwaltungsbehörden (Landräte) zuständig.“ (Der Neue Brockhaus. Allbuch in vier Bänden. Band 3 (L-R) 1937, S.598-599)

Die alliierte Politik führte diese Bewirtschaftungsspolitik bis zur Währungsreform 1948 weiter. Die Verteilung der Lebensmittel über ein Kartensystem blieb erhalten, was angesichts der knappen Ressourcen wohl noch die sozialste Form der Mangelverwaltung darstellte. Die folgenden Einträge bei AKdia zeigen das beispielhaft.

22. Juni 1945 Bekanntgabe, dass alle Vorschriften zur öffentlichen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Erzeugnisse in Kraft bleiben (Kreisblatt 1945, Nr.1, S.2)

20. Juli 1945 Hinweis, dass die Preisüberwachungsverordnung vom 26. November 1936 nach wie vor in Kraft ist (Kreisblatt 1945, Nr.5, S.1)

24. Juli 1945 Anordnung zur Kartoffelbewirtschaftung (Kreisblatt 1945, Nr.8 S.1)

17. August 1945 Bekanntgabe einer Höchstpreisverordnung für Obst und Gemüse ab 11. August (Kreisblatt 1945, Nr.9 S.2)

4. September 1945 Bestätigung der Kartoffelpreise für die Ernte 1945 in der Höhe der Preise für 1944 (Kreisblatt 1945, Nr.12 S.3)

18. September 1945 Bestätigung der bestehenden Brotpreise (Kreisblatt 1945, Nr.16 S.3)

19. Oktober 1945 Bekanntgabe der weiteren Preisüberwachung auf der Grundlage der Verordnung vom 26.11.1936 (Kreisblatt 1945, Nr.27 S.2)

Mit der Währungsreform am 21.6.1948 änderten sich die Bedingungen:

„In der Bundesrepublik Deutschland ist die staatliche Preisbewirtschaftung in großem Umfang abgebaut (Preisfreigabe). Ausnahmen bilden hauptsächlich die Preise für landwirtschaftliche Grunderzeugnisse, die Mieten für Altbauwohnungen, die Tarife in der Verkehrs- und Energiewirtschaft; ferner die Kohlenpreise. Grundlage sind u. a. das Preisgesetz vom 10.4.1948, das Leitsätzegesetz vom 14.6.1948, die Preisfreigabeanordnung vom 25.6.1948.“ (Der große Brockhaus. 16. Auflage, Band 9 (Pas-Rim).- Wiesbaden 1956, S.372)

Über die Umsetzung der neuen Politik ist es in Altenkirchen ab Herbst 1948 bis zum Frühjahr 1949 zu einem Konflikt gekommen, der dem Landrat Dr. Sinzig vorübergehend sogar überregionale Aufmerksamkeit bescherte.

Die Nachrichten zur Versorgungslage häuften sich 1948/49 in der Rhein-Zeitung (Koblenz war um diese Zeit Sitz der Landesregierung, Frankfurt Sitz des Zonenwirtschaftsrats), wie die folgende Aufstellung zeigt:

01 05.06.48 Koblenz. Erhöhung der Brotration

02 26.06.48 Koblenz. Lockerung der Bewirtschaftungsvorschriften

03 03.07.48 Koblenz. Rationen für Juli

04 14.07.48 Altenkirchen. Höchstpreise für Ferkel und Läuferschweine

05 17.07.48 Koblenz: Ernährung bessert sich zusehends

06 21.07.48 Koblenz. Landwirtschaft nach der Geldreform

07 28.07.48 Koblenz: Aufgelockerte Eierbewirtschaftung

08 28.07.48 Betzdorf: Lockerung der Kartoffelbewirtschaftung

09 28.07.48 Altenkirchen: Gegen Schwarzverkauf und Preisüberschreitung

10 31.07.48 Koblenz: Landwirtschaftliche Produktion in Gefahr

11 31.07.48 Altenkirchen: Wo bleibt die Verdienstspanne?

12 07.08.48 Koblenz: Probleme der Eierbewirtschaftung

13 07.08.48 Altenkirchen: Jahresmilchauflage

14 09.08.48 Altenkirchen: Personalabbau und Versorgungsfragen

15 09.08.48 Koblenz: Gewerbefreiheit und Preistreiberei

16 11.08.48 Koblenz: Die Währung soll sich bewähren

17 14.08.48 Koblenz: Das Preisproblem wird akut

18 16.08.48 Altenkirchen: Brotgetreide auf dem freien Markt

19 21.08.48 Koblenz: Gesetz gegen Preistreiberei

20 21.08.48 Rheinland-Pfalz: Schaffende protestieren gegen Preiswucher

21 21.08.48 Altenkirchen: Neuregelung in der Butterrücklieferung

22 30.08.48 Betzdorf: Wer muss Eier abliefern?

23 01.09.48 Koblenz: Etwas mehr Fett – helleres Mehl?

24 01.09.48 Koblenz: Mehr und besser produzieren

25 04.09.48 Altenkirchen: Höchstpreise für Brot

26 08.09.48 Altenkirchen: Kreisbauernverband gegründet

27 11.09.48 Koblenz: Einstellung der Entnahmen befohlen

28 11.09.48 Koblenz: Preise in der Landwirtschaft

29 18.09.48 Redaktion: Geht es Ihnen besser als vor der Reform?

30 22.09.48 Weyerbusch: Bei den Kartoffelbauern im Unterkreis

31 27.09.48 Frankfurt: Gleiche Rationen ab 1. November?

32 04.10.48 Frankfurt: Gewerkschaftsrat kündigt Aktionen an

33 04.10.48 Frankfurt: Schlange-Schöningen dankt und mahnt

34 04.10.48 Altenkirchen: Kein Vieh ohne Zuweisungsschein

35 06.10.48 Koblenz: Anbauflächen und Ernteerträge 1938 bis 1947

36 09.10.48 Frankfurt: Frankfurt plant ein Preisamt

37 09.10.48 Mainz: Gewerkschaftliche Grundsätze zur Preispolitik

38 09.10.48 Altenkirchen: Ernährungs- und Preisfragen vor dem Kreistag

39 11.10.48 Altenkirchen: Keine Preispolitik auf Kreisebene

40 16.10.48 Wissen: Neuregelung der Fleischbewirtschaftung

41 03.11.48 Koblenz: Ämter gehen gegen Preistreiber vor

42 08.11.48 Altenkirchen: Bewirtschaftung von Vieh und Fleisch

43 20.11.48 Koblenz: Anschluß an die Ernte 1949

44 24.11.48 Altenkirchen: Es geht um das tägliche Brot

45 27.11.48 Altenkirchen: Versorgung mit Fleisch und Brot

46 27.11.48 Altenkirchen: Kein Schlachtschein ohne Erfüllung

47 13.12.48 Altenkirchen: Amtliche Viehwaagen

48 15.12.48 Altenkirchen: Abgabe von Brotgetreide lässt zu wünschen übrig

49 18.12.48 Koblenz: Bauernfragen vor dem Landtag

50 31.12.48 Altenkirchen: Unsere Brotbilanz für 1948

51 08.01.49 Altenkirchen: Ernährungslage im Kreis zufrieden stellend

52 31.01.49 Altenkirchen: Weil alle Warnungen erfolglos blieben

53 20.04.49 Altenkirchen: Falsch verstandene freie Fleischwirtschaft

54 25.04.49 Altenkirchen: Wiederherstellung des alten Zustands nicht vertretbar

55 27.06.49 Altenkirchen: Milchablieferung um 3000 kg täglich gestiegen

56 29.06.49 Altenkirchen: Die Fleischversorgung des Kreises vorbildlich


Am 1.03.50 erfolgt die Schließung des Ernährungsamtes in der Kreisverwaltung. (Rhein-Zeitung 14. / 15.5.1955)


Die fettgedruckten Texte aus dieser Zeit werden nachfolgend wörtlich zitiert:


Rhein-Zeitung 09.10.48 Altenkirchen: Ernährungs- und Preisfragen vor dem Kreistag

ALTENKIRCHEN. Dr. Sinzig eröffnete die Kreistagssitzung nach Begrüßung der Vertreter der Militärregierung mit einem Rückblick auf die letzten vier Monate nach der Währungsreform. (…) In der Milchabgabe steht der Kreis an der Spitze im ganzen Land. (…)Auch die Eierauflage nach der Senkung auf 66,6% konnte 100-prozentig abgegolten werden. Schwieriger ist die Lage beim Fleisch, wo infolge hoher Auflagen schon schwere Lücken entstanden waren, die seit dem Tag X noch weiter aufgerissen sind.Es hat sich nach Mitteilung des Landrats herausgebildet, daß die Metzger Vieh wieder direkt vom Bauern beziehen und dort Überpreise zahlen, die zu einer Verteuerung des Fleisches führten. Vereinzelt mußten bereits hohe AStrafen verhängt und Geschäftsschließungen angedroht werden. In Verhandlungen mit den Metzgern, dem Bauernverband, den Gewerkschaften und dem Landrat sind sowohl die Viehkauf- als auch die Fleischpreise besprochen worden. (…)



Rhein-Zeitung 11.10.48 Altenkirchen: Keine Preispolitik auf Kreisebene

ALTENKIRCHEN. In der Debatte des Kreistages über die Vorkehrungen, die notwendig sind, um die Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Bedarfsgütern für den Winter zu sichern, nahmen (…) Maßnahmen gegen Durchbrechung des Bewirtschaftungssystems einen breiten Raum ein. (…)Eine Lösung des Preisproblems (…) sei auf Kreisbasis nicht möglich, doch sollten dem Landrat alle Vollmachten geben werden, die er benötigt, um die gerechte Erfassung und Verteilung zu sichern und die Stabilität der Preise zu garantieren. (…) Landrat Dr. Sinzig (…) versprach mit den Vollmachten des Kreistags schärfste Maßnahmen gegen Ernährungssabotage und Preiswucher.



Rhein-Zeitung 08.01.49 Altenkirchen: Ernährungslage im Kreis zufriedenstellend

ALTENKIRCHEN. Ein Rückblick auf das verflossene Jahr zeigt, daß es der Kreisverwaltung Altenkirchen trotz vieler Schwierigkeiten gelungen ist, die ihr gestellten Aufgaben zum Wohle und Nutzen der Kreisbevölkerung zu meistern. … Die unverkennbar eingetretene Besserung in der Ernährungslage ist nicht nur auf die allgemeine Entwicklung zurückzuführen, sondern auch darauf, daß die Landwirte des Kreises in der übergroßen Mehrzahl sich ihrer Pflicht voll und ganz bewußt sind und das Ablieferungssoll fast 100%-ig erfüllt haben. Durch die Maßnahmen der Kreisverwaltung in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft konnte die Sicherstellung des täglichen Brotes für absehbare Zeit im Kreise erreicht werden. Auch die übrigen Bedarfsgüter des täglichen Lebens sind genügend vorhanden, sodaß keinerlei Befürchtung wegen der Ernährung der Kreisbevölkerung für die nächsten Monate besteht. In der Preisgestaltung hat die Kreisverwaltung im Rahmen der Zuständigkeit ihren Einfluß geltend gemacht. Gegen Preisverstöße, soweit sie bekannt geworden sind, wurde mit empfindlichen Strafen vorgegangen. Es ist der feste Wille der Kreisverwaltung, im neuen Jahr wenn notwendig, noch strengere Maßnahmen zu ergreifen. Preissünder können aber nur dann mit Erfolg bekämpft werden, wenn die Bevölkerung selbst wirksam mitarbeitet und Preisüberschreitungen anzeigt.



Rhein-Zeitung 31.01.49 Altenkirchen: Weil alle Warnungen erfolglos blieben

ALTENKIRCHEN. Auf Grund der in den letzten Monaten überall festzustellenden Mißachtung der Bewirtschaftungsvorschriften hat die Landesregierung die Landräte angewiesen, künftig mit aller Strenge gegen säumige Ablieferer sowie gegen Handels- und Gewerbebetriebe vorzugehen, die gegen diese Anordnungen verstoßen. Alle festgestellten Verstöße sollen dieser Anweisung zufolge nach einheitlichen Richtlinien bestraft werden. Der totalen Ablieferungspflicht unterliegen nach wie vor Brotgetreide, Milch und Ölsaaten. Abgaben im Rahmen des Solls werden verlangt an Vieh oder Fleisch, Eiern, Hafer, Heu und Stroh. Jedem Landwirt muß durch die Behörde rechtzeitig seine Ablieferungsmenge bekanntgegeben werden. Wenn er dieser Verpflichtung schuldhaft und böswillig nicht nachkommt, kann er durch die Spruchstellen des Kreises mit nachstehenden Strafen belegt werden: Bei Brotgetreide mit 20-40 DM je Ztr.; bei Ölsaaten mit 2-4 DM je kg; bei Fleisch mit 3-6 DM je kg; bei Butter mit 12-24 DM je kg; bei Milch mit 0,50-1 DM je Ltr.; bei Eiern mit 0.50-1 DM je Stück. Wer innerhalb der auf dem Ordnungsbescheid angeführten Frist sein Soll oder Restsoll erfüllt, dem kann die Strafe erlassen werden. Lebensmittelhändler, Metzger, Bäcker, Gaststätten und Mühlen haben mit gleich schweren Strafen zu rechnen, wenn größere Verfehlungen festgestellt werden. Nach diesen neuen Richtsätzen hat jeder Bauer, der seine für die Abgabe bestimmten Vorräte böswillig zurückhält oder sie zu Schwarzmarktpreisen frei verkauft, sowie jeder Händler, der die ihm anvertrauten bewirtschafteten Verbrauchsgüter der vorgesehenen Verteilung entzieht oder schwarz an- und verkauft, unnachsichtlich mit härtesten Strafen zu rechnen. Hierunter fallen auch Tabakwaren, Wein und Spirituosen, die z. Zt. in zahlreichen Gaststätten und Verkaufsstellen zu überhöhten Preisen verkauft werden. Die Landesregierung will mit dieser Maßnahme erreichen, daß vom Erzeuger bis zum letzten Verteiler die Preisentwicklung überwacht und wieder in gesunde Bahnen gelenkt wird. Auch der Verbraucher wird zur Disziplin aufgerufen und unterliegt den gleichen Strafbestimmungen.(…)



Rhein-Zeitung 20.04.49 Altenkirchen: Falsch verstandene „Freie Fleischwirtschaft“. Kreis Neuwied gegen „Experimente“ im Kreis Altenkirchen

ALTENKIRCHEN. Wir berichteten vor kurzem schon einmal über Stimmen aus dem Nachbarkreis Neuwied, die sich gegen die Neuordnung der Vieh- und Fleischwirtschaft im Kreise Altenkirchen wandten und darin eine Benachteiligung ihres Kreises erblickten. Dem Einwand, daß es eine Benachteiligung der Landwirte im Kreis Neuwied bedeute, wenn sie ihr Vieh zu besseren Preisen in den Kreis Altenkirchen absetzten, wurde damals die Frage entgegengestellt, worin denn die Benachteiligung bestehe, wenn der Erzeuger für seine Produkte tatsächlich im Kreis Altenkirchen bessere Preise erziele. In einer Sitzung der Kreisvereinigung der Bauern und Winzer in Neuwied ist dieses Thema erneut aufgegriffen worden. Landrat Bruchhäuser führte dazu nach Presseberichten u. a. aus:“ Der Drang nach freier Wirtschaft sei verständlich und um diese annähernd zu erreichen, werde viel experimentiert. Aber es sei erforderlich, daß denen, die Experimente durchführten, auf die Finger gesehen werde. Als Beispiel führte er die Freigabe der Fleischbewirtschaftung im Kreise Altenkirchen an, die dazu geführt habe, daß bestes Vieh aus den Kreisen Neuwied und Oberwesterwald nach Altenkirchen verkauft wurde und man von dort aus wiederum den Kreis Neuwied mit Fleisch versorge. Allerdings wurde dann statt gutem Fleisch Freibankfleisch angeboten. Der Landrat will mit Zustimmung des Kreisausschusses bei der Regierung die Forderung stellen, daß dem Kreis Neuwied dasselbe Recht eingeräumt wird wie Altenkirchen, um in dieser Beziehung Klarheit zu schaffen und nicht einen Kreis gegen den anderen auszuspielen.“ Es ist bedauerlich, wenn durch diese Verlautbarung der Kreisverwaltung Neuwied ein völlig falsches Bild über die Fleischbewirtschaftung des Kreises Altenkirchen in der Öffentlichkeit entsteht. Durch Funk und Presse hat der Landrat von Altenkirchen bereits klarstellen lassen, daß es in seinem Kreis ebenso wenig eine freie Fleischwirtschaft gibt wie in einem anderen Kreis des Landes. Richtig ist allerdings, daß die Kreisverwaltung neue Wege gesucht und gefunden hat, um die Fleisch- und Viehwirtschaft aus einer Erstarrung zu lösen, in die sie eine schwerfällige und verkrampfte Bewirtschaftungsbürokratie zum Nachteil von Erzeuger, Händler, Metzger und Verbraucher hineingezwängt hat. „Freie“ bedeutet also soviel wie Loslösung von erschwerenden Vorschriften und Einengungen und Wiederherstellung der individuellen Beziehungen zwischen Erzeugern, Abnehmern und Konsumenten. Daß es dem Landrat von Altenkirchen gelungen ist, nach dieser Richtung hin eine Bresche ins Feld der „Freien Wirtschaft“ zu schlagen, hat nicht nur die Zustimmung der gesamten Kreiseingessenen gefunden, sondern auch höheren Orts bereits aufhorchen gemacht. Durch diese wohlerwogenen Maßnahmen ist im letzten Dorf des Kreises der leidige Streit verbannt worden, der bisher bei jeder Viehauflage entstand. Bauern und Landwirte haben jetzt wieder den gesunden Anreiz, gutes Schlachtvieh auf den Markt zu bringen. Die Viehverteilungsstelleist hinfällig geworden. Der Metzger darf wieder über Land gehen und nach Qualität Ausschau halten. Die Ortsbehörde wird in die Viehkäufe und Gewichtsermittlung eingeschaltet, der Metzger rechnet Gewicht und Marken nach wie vor ab, und der Normalverdiener wacht darüber, daß er im Preis nicht über die Ohren gehauen wird. Daß wir keinen Überhang von Freibankfleisch im Kreis haben, dafür sorgen die langen Reihen von Interessenten, die bei jeder notwendig werden Schlachtung auf ihre Fleischmarken an den Verkaufsstellen das doppelte Quantum zu erhalten suchen. Das wäre in kurzen Umrissen das Bild der „Freien Fleischwirtschaft“ im Kreise Altenkirchen, die sich gegen keinen anderen Kreis richtet, wohl aber für alle ein Vorbild zur Nachahmung sein dürfte.



Rhein-Zeitung 25.04.49 Altenkirchen: Kreistag gegen Rückfall in die Zwangswirtschaft. Scharfe Protestnote an den Landwirtschaftsminister. Wiederherstellung des alten Zustands nicht vertretbar

ALTENKIRCHEN. „Der Kreistag hat Kenntnis von dem Antrage des Kreisbauernverbandes vom 19. April 1949 und dem Bericht des Landrates, wonach der Kreis gemäß Erlaß des Ministers für Landwirtschaft und Ernährung bis zum 25, April den früheren Zustand in der Fleischversorgung vor Stilllegung des Mittelmarktes wiederherzustellen hat. Der Landrat hat in Gemeinschaft mit der Vertretung der Bauern, der Gewerkschaften, der Metzger und der Viehhändler die Methode der Fleischversorgung verbessert. Die Metzger kaufen das Vieh nicht mehr auf dem zum Ruhen gebrachten Mittelmarkt, sondern unmittelbar beim Bauern ein. Die Preise werden von der Verwaltung schärfstens kontrolliert. Die frühere Kreisversammlung hat einstimmig dieses Verfahren gebilligt. Der Kreistag erblickt in dieser Maßnahme keine Aufhebung der Zwangsbewirtschaftung in der Fleischversorgung für den Kreis Altenkirchen, sondern nur eine bessere Methode, die der besseren Versorgung der Bevölkerung dient und den Belangen der Bauern besser Rechnung trägt. Sie hat sich bewährt. Der Kreis Altenkirchen, der im übrigen mit allen Ablieferungsverpflichtungen an der Spitze des Regierungsbezirks – zum teil des Landes – steht, hat durch diese Maßnahme dem Schwarzhandel mit Fleisch den entscheidenden Schlag versetzt. Im Kreis Altenkirchen sind nach unseren Ermittlungen im Monat März mehr Schweine gewerblich geschlachtet worden, als im ganzen Regierungsbezirk Koblenz zusammen. Der Herr Regierungspräsident von Köln hat für seinen Bezirk die gleiche Art der Vieherfassung eingeführt. In mehreren Kreisen des Landes Rheinland-Pfalz sind die gleichen Bestrebungen sichtbar. Der Kreistag hat Kenntnis davon, daß der Haushaltsausschuß des Landtags bei der Haushaltsberatung die Posten für die Zwangsbewirtschaftung gestrichen hat. Im Hinblick darauf erachtet der Kreistag einstimmig die Wiederherstellung des früheren Zustands für nicht vertretbar. Er richtet als die Vertretung der gesamten Kreisbevölkerung an den Herrn Minister für Landwirtschaft und Ernährung die dringende Bitte, seinen Erlaß an den Landrat aufzuheben, weil nur so eine schlechtere Versorgung der Bevölkerung vermieden werden kann.



Rhein-Zeitung 29.06.49 Altenkirchen: Die Fleischversorgung des Kreises vorbildlich

ALTENKIRCHEN. Auf dem Landratsamt fand in Anwesenheit des Bezirks-Delegierten der französischen Militärregierung Stoebner, des Kreisdelegierten des Kreises Simmern, Antoine, des Kreisdelegierten von Altenkirchen, Laumond, der Kreisverwaltung und des Kreisbauernverbandes eine Besprechung statt, in deren Mittelpunkt die Fleischbewirtschaftung im Rahmen der bestehenden Zwangsbewirtschaftung stand und die einem Erfahrungsaustausch über die im Kreisgebiet auf Grund der Neuregelung gemachten Erfahrungen diente. Dabei konnte festgestellt werden, daß der Rindviehbestand des Kreises von 22911 Stück vor Einführung der Neuregelung auf 23931 Stück gestiegen ist. Alle Bedürfnisse für den zivilen Sektor und sämtliche Militärauflagen konnten restlos erfüllt werden. Die Gefahr eines Engpasses in der Fleischversorgung ist vorüber, da der augenblickliche Kälber- und Schweineanfall gut ist und im Herbst wiederum ein erhöhter Anfall an Schlachtgroßvieh eintritt. Die gewerblichen Schlachtungen haben erheblich zugenommen und der Schwarzhandel wurde mit der Neuregelung vollständig ausgeschaltet. Umgekehrt liegt es in anderen Kreisen, wo die gewerblichen Schlachtungen nicht so stark sind, dafür aber Schwarzschlachtungen im größeren Maße betrieben werden. In einer Übersicht wurde den Besuchern über diese Schlachtungen ein Überblick gegeben. Im Dezember 1948 wurden 164 Kälber gewerbsmäßig geschlachtet, im Mai 1949 konnte die Zahl auf 307 gesteigert werden. Besonders erfreulich ist der augenblickliche Schweineanfall, sodaß in der Versorgung mit Schweinefleisch keinerlei Engpässe bestehen.43 Schweine wurden im Dezember 1948 geschlachtet, im Mai des laufenden Jahres dagegen 225 Stück. Dabei ist zu erwähnen, daß auch der Bestand an Schweinen ständig zunimmt und bereits jetzt schon eine erfreuliche Höhe aufzuweisen hat. Er betrug am 3. Juli 1948 7925 Stück, am 3. Dezember 1948 9705 Stück und hat bis zum 3. Juni 1949 bereits einen Bestand von 12120 Stück erreicht. Mit großer Befriedigung konnten sich die anwesenden Gäste von der günstigen Entwicklung des Fleisch- und Viehmarktes im Kreise Altenkirchen überzeugen, die über alle Schwierigkeiten hinweg geholfen hat, ohne daß damit die bestehenden Zwangsvorschriften aufgehoben wurden.


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