Kreissynoden 1945/46

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Vom Umgang mit dem Scherbenhaufen der eigenen Geschichte


Zwei unprotokollierte Wahlsynoden der Kreissynode Altenkirchen 1945/46

Von Eberhard Blohm / AKdia 2015


Seit 1850 hat die Kreissynode Altenkirchen der Evangelischen Kirche im Kirchenkreis Altenkirchen jedes Jahr ihr Sitzungsprotokoll drucken lassen. Bis 1933 gibt es also jährliche gedruckte Protokolle (mit der Ausnahme 1883, als die Kreissynode ausfiel). Die NSDAP hat dann für die Jahre bis 1944 dafür gesorgt, dass keine Kreissynoden abgehalten wurden.

Als 1945 das politische und gesellschaftliche Leben sich wieder unter neuen Bedingungen entfalten durfte, waren die Kirchen unter den ersten Organisationen, die sich über ihre neue Rolle klar werden mussten.

Trotz der Kriegszerstörungen arbeiteten die einzelnen Evangelischen Kirchengemeinden in personeller Hinsicht zunächst einmal mit dem Personal der Zeit vorher weiter, soweit es nicht der NSDAP zuzurechnen war:


Evangelische Kirchengemeinden im Kirchenkreis Altenkirchen

Almersbach Pfarrer Hans Schacht 1910-1946

Altenkirchen I Pfarrer Hugo Hackler 1943-1964, 1945-1946 in Kriegsgefangenschaft

Altenkirchen II bis 1946 unbesetzt

Betzdorf Pfarrer Gottfried Winterberg 1926-1946

Birnbach Pfarrer Helmuth Schareina 1931-1966

Daaden I Pfarrer Herbert Noelle 1938-1945

Daaden II Pfarrer Friedrich Wilhelm Diehl 1937-1970

Flammersfeld Pfarrer Paul Pfeiffer 1937-1969

Freusburg-Niederfischbach Pfarrer Hans Jakob Groß 1934-1951, Hilfsprediger Hans Fritzsche 1945-47

Gebhardshain Hilfsprediger Karl Heinz Flammersfeld 1941-1945, Hilfsprediger Paul Krüsmann 1942-1945, Pfarrer 1946-1951

Hamm I Pfarrer Paul Eugen Ueberfeldt 1944-1959

Hamm II Pfarrer Emil Peter Gebhard 1934-1949

Herdorf-Struthütten Pfarrer Ernst Helmut Timm 1933-1950

Hilgenroth Pfarrer Friedrich Hermann Korst 1919-1949

Kirchen Pfarrer Heinrich Wilhelm Hermann Krieger 1934-1972

Mehren Pfarrer Karl Friedrich Fündling 1913-1946

Schöneberg Pfarrer Wilhelm Johannes Enke 1938-1950

Wissen Pfarrer Eduard Schumacher 1930-1947


Unter den 18 Kirchengemeinden waren im Jahre 1945 16 regulär besetzt. In Altenkirchen musste von den Nachbargemeinden vertreten werden, weil der einzige berufene Pfarrer noch in Kriegsgefangenschaft war. Gebhardshain hatte noch nicht wieder einen regulären Pfarrer.

Nach der amerikanischen Besetzung des Kreises fanden wegen der Zerstörung der Bahnstrecken erst wieder Pfarrkonvente am 3. Oktober 1945 in Breitscheid und am 24. Oktober 1945 in Hamm (Sieg) statt. (Pfarrkalender des Pfarrers Johannes Enke aus Schöneberg für 1945) Pfarrer Johann Heinrich Brinken, von 1912-1943 auf der Pfarrstelle Hamm I, amtierte als Superintendent von 1940 noch über seine Emeritierung hinaus als Verwalter bis zum 31.12.1945.

Mit der Wiederaufnahme der Arbeit der Kreissynode stand also die Neuwahl eines Superintendenten als erste Aufgabe auf der Tagesordnung.

BLOHM trägt bei AKdia (www.westerwald-gymnasium.de) zum 14. November ein: Nach 13 Jahren tritt die Kreissynode der evangelischen Kirche des Kirchenkreises Altenkirchen in Hamm (Sieg) erstmals wieder zusammen. Sie steht "unter dem Zeichen eines tiefen gegenseitigen Mißtrauens". (Berichte über die Kreissynoden 1946-1952, S.4)

Diese Formulierung machte den Autor neugierig. Es gelang, zumindest die groben Abläufe zwischen den Beteiligten in der Kreissynode zwischen Oktober 1945 und Januar 1946 aus Briefen zu rekonstruieren.

Der Pfarrer Paul Ueberfeldt aus Hamm (Sieg) wurde - nach einem ersten Wahlgang mit 9 Stimmen für Pfarrer Groß, 10 Stimmen für Pfarrer Korst und 12 Stimmen für Pfarrer Ueberfeldt - im zweiten Wahlgang mit 17 Stimmen bei 10 Stimmen für Pfarrer Korst, also mit absoluter Mehrheit, als Superintendent gewählt. Es setzte nun eine dreiwöchige Phase ein, die von Beschwerden aus dem Teilnehmerkreis, von Diskussionen verschiedener Teilnehmer, von der Einschaltung der Kirchenleitung in Düsseldorf und unklaren Vorwürfen bestimmt wurde, die sich mangels vorliegender Notizen nicht detailliert belegen lassen.

Gegen die Wahl Ueberfeldts gab es zunächst einen Einspruch der Pfarrer Enke, Korst und Schumacher, dann einen weiteren von den Pfarrern Diehl und Gross und den Hilfspredigern Fritzsche und Krüsmann.

In den Diskussionen kamen drei auf die zurückliegende Zeit bezogene Vorwürfe zur Sprache: 1. Der bisherige Superintendent sei verlängerter Arm der Geheimen Staatspolizei gewesen und 2. er habe den Führereid abgelegt. Als Wortführer tritt Hilfsprediger Paul Krüsmann auf, der angeblich für die Vertreter der Bekennenden Kirche spricht. Damit wird 3. indirekt der Konflikt zwischen den Lagern der Pfarrerschaft innerhalb der Bekennenden Kirche von 1933 bis zur Kapitulation 1945 angedeutet.

Horst MOOG hat unter Verwendung von Aktenmaterial die Konfliktlage im Kirchenkreis zwischen 1933 und 1945 nachgezeichnet (Erinnerungen an Pfarrer Heinrich Brinken, Hamm, II. Teil und Schluß, Heimat-Jahrbuch des Kreises Altenkirchen und der angrenzenden Gemeinden 2004, Altenkirchen 2003, S. 246-257). Die Konfliktlinien zwischen den Kandidaten lassen sich damit insoweit nachzeichnen, als die Wahl von Pfarrer Ueberfeldt von den kompromisswilligeren BK-Pfarrern, die von Pfarrer Groß von den entschiedeneren BK-Pfarrern getragen wurde. Horst Moog hat die Wahl Ueberfeldts in seiner Darstellung gar nicht erwähnt.

Nach Angriffen mehrerer Synodaler verzichtete Pfarrer Ueberfeldt nach drei Wochen auf das Amt. (Korrespondenz Generalsuperintendent 6HA001 Nr. 732, 10.1.1946 und 27.1.1946) Siehe auch 23.1.1946.

Von dieser Synode wurde kein Protokoll veröffentlicht.

Ab 1. Januar 1946 wurde Pfarrer Gross, Freusburg mit der Leitung der Geschäfte des Superintendenten beauftragt. Im Auftrage der Kirchenleitung in Düsseldorf wurde er mit der Ordination des Hilfspredigers Fritzsche beauftragt. (Schreiben Ueberfeldt 10.1.1946 an den Generalsuperintendenten 6HA001 732, Nr. 190)

Alle Vorwürfe gegen Pfarrer Ueberfeldt wurden am 23. Januar 1946 auf einer außerordentlichen Synode in Helmeroth nicht mehr aufrechterhalten und Pfarrer Ueberfeldt gebeten, seinen Amtsverzicht rückgängig zu machen. Dieser blieb aber bei seiner Entscheidung. Gewählt wurden daraufhin Pfarrer Gross zum Superintendenten, Pfarrer Enke zum Assessor, Pfarrer Gebhard zum stellvertretenden Assessor und Pfarrer Diehl zum Protokollführer (Scriba).

Auch von dieser Synode wurde kein Protokoll veröffentlicht.