Verhandlungen der Kreissynode Altenkirchen 1850-1952

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Verhandlungen der Kreissynode Altenkirchen 1850-1952

Eine ungenutzte Quelle zur Orts- und Regionalgeschichte im Kreis

Von Eberhard Blohm

Seit 1850 sind die Protokollniederschriften der im Kirchenkreis Altenkirchen der Evangelischen Kirche abgehaltenen jährlichen Kreissynoden mit der Unterbrechung 1883 und der Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1934 und 1945 jährlich gedruckt worden. Die Archive der Kirchengemeinden verzeichnen diese kleinen Schriften. Die Reihe ist allerdings selten vollständig erhalten.

Bei der Durchsicht der gedruckten Literatur zur Geschichte der Stadt Altenkirchen fiel auf, dass die Inhalte selten bis gar nicht zitiert werden. Eine Ausnahme bildet die Schrift von Martin Sinemus: Die Geschichte der evangelischen Gemeinden des Kirchenkreises Altenkirchen (Westerwald).- Saarbrücken 1933, S.50-55. Darin findet sich eine Übersicht über die abgehaltenen Synoden bis 1930, die Superintendenten, die Prediger der Eröffnungsgottesdienste und in einzelnen Jahren der von Sinemus für wesentlich gehaltenen Themen der Synoden.

Da es für die Region gedruckte Serienquellen aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg kaum gibt, weil Zeitungen lange nicht als archivwürdiges Material behandelt wurden, finden sich regionale und lokale Angaben nur im Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Koblenz (ab 1816-1823, 1824 ohne Nrn. 35/36, 1825-1918 im Kreisarchiv in Altenkirchen).

Die hier vorgestellten Verhandlungen der Kreis-Synode Altenkirchen stellen für die Darstellung der Lebenswelt der protestantischen Bevölkerung des Kreises eine Ergänzung dar. Der immer gleiche Aufbau der Hefte erlaubt über die Jahrzehnte einen Überblick über sonst nur schwer oder gar nicht erreichbare Inhalte, die mangels anderer Quellen auf Ortsebene kaum vorliegen:

- die wechselnder Stellenbesetzung der Leitung der Kreissynode (Superintendent);

- die Ortspfarrer mit Angabe ihrer Herkunft oder Versetzungsorten, Angaben zu ihren Geburts- und Sterbedaten;

- Zu- und Abgänge bei der Besetzung der Lehrerstellen der evangelischen Volksschulen;

- Veränderungen in den Kirchenbauten;

- die Haltung der Synode zu den anstehenden Fragen der Kirche in ihrer Zeit;

- Konflikte mit anderen Glaubensrichtungen, hier mit der Katholischen Kirche und dem Hauskirchenwesen; die Mischehenfrage;

- Besoldungsfragen der Pfarrer und Lehrer;

- Fürsorgeerziehung;

- die Sorge um soziale Konflikte wie Sonntagsruhe, Alkoholismus, Ehemoral, Einfluss der Ortskirche auf die Gläubigen;

Stellungnahmen zur Politik der Zeit sind oftmals nur in Randbemerkungen und der Wortwahl der Zeit enthalten. Einige Fragen wie Antisemitismus sind vollkommen ausgespart. Es ist aber zu bedenken, dass der protestantische preußische Staat von seinen protestantischen Pfarrern politische Enthaltsamkeit erwartete. Er belohnte sie mit einer öffentlich besoldeten Stellung an der Spitze der örtlichen Hierarchie mit großem Einfluss auf die Gläubigen. Als sich nach dem 1. Weltkrieg diese Stellung veränderte, musste die meist noch monarchisch denkende Pfarrerschaft mit einer ihr von der Staatsspitze kritisch sich entgegenstellenden Politik abfinden und ihre neue Rolle erst noch finden.

Die Quellenbasis verändert sich erheblich. Neben das Amtsblatt der preußischen Regierung zu Koblenz (1919-1932 im Kreisarchiv Altenkirchen) treten ab 1919 in größerem Umfang Tageszeitungen in Altenkirchen und Betzdorf, die nicht immer vollständig vorliegen. Die Verhandlungen der Kreis-Synode Altenkirchen (letzte Vorkriegssynode 1933) sind jetzt nur noch eines von verschiedenen Presseorganen, deren Kontrolle bei Pressefreiheit nicht mehr durchgängig gelingt. Die Machtübergabe an die NSDAP und deren vollständiger Staatsumbau beenden zunächst auch in der protestantischen Kirche die Existenz von Mitentscheidungsgremien. Als Quellen örtlicher und regionaler Entwicklungen ist man wieder auf das Amtsblatt der preußischen Regierung, die zunächst noch geduldeten bürgerlichen, dann nationalsozialistischen Zeitungen, für Kirchenfragen auf … angewiesen.

Nach der Besetzung des Kreises durch amerikanische Truppen im März 1945 gibt es das Kreisblatt bis zu dessen Einstellung Ende Oktober 1945 auf Betreiben der französischen Besatzung, später die Rhein-Zeitung, 1949 auch kurzzeitig die Altenkirchener Zeitung. Das Kirchenleben beginnt wieder im November 1945. Die ersten zwei Synoden des Kirchenkreises sind ungedruckt. Erst die Tagungsprotokolle von Mitte 1946 bis 1952 sind in einem Band zusammengefasst gedruckt. Selbst wenn man in den ersten Jahren ein Zensur unterstellen muss, die Rücksichten auf die Besatzungsmacht bedeutet, ist die Aussagelosigkeit zu den Fragestellungen nach der moralischen Katastrophe 1933-1945 ins Auge stechend: kein Wort zur Haltung der Kirche im Nationalsozialismus, also zur Spaltung in Deutsche Christen und „Bekenntniskirche“, keine Auseinandersetzung mit dem Personalproblem, also welche Mittäterschaft oder Mitläuferschaft im Personal der Kirchen vor Ort, keine Aussage zur Judenverfolgung, keine zur Beschäftigung von Zwangsarbeitern. Die Kirche hat die Auseinandersetzung wie die übrige Gesellschaft ausgeblendet.



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